Prof.dr. stephan opitz
Honorarprofessor am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien, CAU Kiel
Das Modul “Angewandte Kulturwissenschaft” ist aus dem von Ihnen konzipierten und betreuten “Zertifikat Kulturmanagement” hervorgegangen. Welche Themen sind hinzugekommen?
Der Anspruch von ‘Kulturwissenschaft‘ ist in jedem Fall breiter und tiefer; insbesondere die Kontingenzproblematik spielt im herkömmlichen Kulturmanagement keine Rolle. Kurz zusammengefasst: Eine eher mikrökonomische Betrachtung kultureller Strukturen und Themen sollte durch eine gediegene makroökonomische Analyse umfassend ergänzt werden. Das leistet das Modul.
Es gibt unzählige Definitionen von Kultur, weite und sehr enge. Woran denken Sie, wenn Sie "Kultur" sagen - und was ist ihr Stellenwert?
Ich denke an Texte, Bilder, Töne, die mir gefallen – und an die Strukturen, innerhalb derer Texte, Bilder, Töne entstehen und in denen die Verständigung darüber, wie man zu einer Auffassung und einer Liebe zu Texten, Bildern, Tönen kommt, stattfinden kann. Also: Ich kann und will Kultur ohne Bildung nicht denken und definieren.
Studierende der Angewandten Kulturwissenschaft wollen irgendwann einen Beruf ergreifen. Welches sind Ihrer Meinung nach die Kardinaltugenden (in) der Kulturarbeit?
Intellektualität und Belastbarkeit, Führungs- und Hausmeisterqualitäten, eine tief im Wissen darum gegründete Freude an Texten, Bildern, Tönen. Larmoyanzverbot. Und: Sich nie mit Künstlern verwechseln. Und: Nie von Kulturschaffenden faseln. Denn Kultur schaffen alle Menschen in einer Gesellschaft – so oder so und ob sie es wollen oder gar nichts davon wissen, dass sie es tun.
Ihre Karriere umgreift zahlreiche Stellen und Institutionen, von der Universität Freiburg über das Nordkolleg Rendsburg, das Bildungsministerium SH bis zur Arno-Schmidt-Stiftung, um nur einige zu nennen. War das so geplant - oder besser: kann man Karrieren planen?
Ja und nein; „Rückblickend mein eigenes Leben/fast noch die günstigste Lösung“ dichtete Peter Rühmkorf und das genial gesetzte ‘fast‘ erzählt davon, dass es auch anders hätte sein können. Auf der anderen Seite: Als ich 1987 das erste damals westdeutschlandweite Nonsens- und Satirefestival plante und durchführte, da wurde mir klar: Sowas kann ich. Und was man gut kann, soll man denn auch machen. So gut es geht.
Schleswig-Holstein ist ein kulturell reiches, ökonomisch aber traditionell eher armes Land mit wenigen Großstädten. Welche Vor- und Nachteile bietet unser Standort?
Ruhe und die Anschauung schöner Natür. Die Meere zu beiden Seiten als nicht zu unterschätzender Kulturfaktor („Es nehmet aber Und giebt Gedächtniß die See,/ Und die Lieb' auch heftet fleißig die Augen, /Was bleibet aber, stiften die Dichter“ – diese Verse aus Friedrich Hölderlins vermutlich letztem vollendetem Gedicht ‘Andenken‘ sollte man hier immer im Gedächtnis haben). Nicht zu viele Menschen. Interessante Sachen wie das Schleswig-Holstein-Musikfestival oder der Komplex Schloss Gottorf mit weltweit bedeutender Archäologie und herausragender Kunstgeschichte des Landes oder die Nordischen Filmtage. Die (viel zu wenig gelebte) Mehrsprachigkeit und die Nähe zu den skandinavischen Ländern. Sehr gute Schriftsteller wie z.B. Mißfeldt, Runge, Zaimoglu. Es müssen nicht überall mit lautestem Kulturgetöse alle nur irgendwie möglichen Säue durch die Dörfer gejagt werden. So’n paar wenige reichen. Denn ‘Unsere Kultur geht auf keine Kuhhaut‘ – H. M. Enzensberger schon 1993; im Klartext – es gibt sowieso zu viel Kulturangebote; man kann also nur aus den besseren auswählen. Und das dann richtig gut machen. Das heißt, es soll breit rezipiert und bewundert werden.